Viraler Krupp-Anfall (Pseudokrupp)

Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

Steckbrief

Der Pseudokrupp ist Folge eines viralen Infekts, der zu einer subglottischen Schwellung führt. Insbesondere Kinder zwischen 6 Monaten und 3 Jahren sind betroffen. Aufgrund der noch engen anatomischen Verhältnisse führt bereits eine geringe Schwellung der Schleimhaut im Bereich der engsten Stelle, dem Krikoid, zu einer relevanten Einengung des Atemwegs. Die Symptome wie bellender Husten, Heiserkeit und inspiratorischer Stridor treten überwiegend nachts und vor allem im Herbst oder Winter auf. Die Therapie umfasst je nach Stadium das Beruhigen des Kindes, die Gabe von Glukokortikoiden, die Inhalation mit Epinephrin und unter Umständen die stationäre Aufnahme. Innerhalb von 2–5 Tagen ist der Infekt ausgeheilt. Die Erkrankung tritt häufig auf und bei einem Teil der Kinder treten weitere Episoden auf.

Definition

  • Plötzlich, überwiegend nachts auftretender, bellender Husten, Heiserkeit; bei schweren Verläufen mit inspiratorischem Stridor und Luftnot
  • Häufig ist ein Infekt der oberen Atemwege vorbestehend.

 

Epidemiologie

Häufigkeit

  • 10–15% aller Kinder erkranken einmal im Leben, die Erkrankung tritt überwiegend im Herbst und Winter auf.

 

Altersgipfel

  • Frühes Kindesalter: 6. Lebensmonat bis etwa 3. Lebensjahr

 

Geschlechtsverteilung

  • Jungen sind etwas häufiger als Mädchen betroffen (1,4:1).

 

Prädisponierende Faktoren

  • Viraler Infekt der oberen Atemwege
  • Häufig familiäres Auftreten
  • Ein Kind kann mehrmals erkranken.

 

Ätiologie und Pathogenese

  • Durch Infektionen mit Parainfluenzaviren (Typ I–III), Respiratory Syncytial Virus (RS-Viren) oder Influenzavirus Typ A entsteht ein Schleimhautödem, das im Bereich des Ringknorpels, der engsten Stelle des oberen Atemwegs, eine relevante Einengung mit Luftnot zur Folge hat.

 

Klassifikation und Risikostratifizierung

  • Die klinischen Symptome werden in 4 Schweregrade eingeteilt (Tab. 73.3).

 

Tab. 73.3 Klassifikation, Symptomatik und Therapie des Pseudokrupps.

Schweregrad Klinik Therapie
Grad 1: leicht intermittierender bellender Husten, Heiserkeit, in Ruhe kein Stridor Beruhigung, Kaltlufttherapie*, eventuell Glukokortikoidgabe (inhalativ oder systemisch, z.B. als Suppositorium)
Grad 2: mittel häufig bellender Husten, Ruhestridor, beginnende juguläre und interkostale Einziehungen in Ruhe, nur geringe Agitiertheit Beruhigung, Kaltlufttherapie*, systemische Glukokortikoide, Inhalation mit Adrenalin (Epinephrin), eventuell stationäre Aufnahme
Grad 3: schwer häufig bellender Husten, ausgeprägter inspiratorischer Stridor, häufig auch exspiratorisch; ausgeprägte thorakale Einziehungen, Agitiertheit, Tachykardie Beruhigung, Inhalation mit Epinephrin, eventuell Sauerstoffgabe, stationäre Aufnahme und Kontrolle der Vitalparameter, Glukokortikoide (systemisch)
Grad 4: drohender Atemstillstand kaum hörbarer bellender Husten, Ruhestridor, erhebliche Atemarbeit, drohende Erschöpfung, Lethargie und Bewusstseinstrübung (Somnolenz), aschfahles bzw. zyanotisches Hautkolorit, Bradykardie Sauerstoffgabe, Intubation in Tracheotomiebereitschaft, Intensivüberwachung, Glukokortikoide (systemisch), Inhalation mit Adrenalin
* Die Behandlung mit kalter feuchter Luft hat eine allenfalls geringe Evidenz.

Symptomatik

  • Subfebrile Temperatur
  • Trockener bellender Husten
  • Heiserkeit
  • Inspiratorischer Stridor
  • Bei höhergradiger Stenosierung kommen interkostale und juguläre Einziehungen sowie Luftnot hinzu.
  • Siehe auch Tab. 73.3

 

Diagnostik

  • Die Diagnose wird aufgrund der Anamnese und des klinischen Bildes gestellt.
  • Eine flexible Endoskopie transnasal ist in der Regel nicht nötig.

 

Diagnostisches Vorgehen

  • Klinische Untersuchung, Auskultation und Inspektion des Thorax mit Beurteilung der Atemhilfsarbeit
  • Rasches Ansprechen auf eine Epinephrininhalation spricht für Pseudokrupp (im Gegensatz zur Epiglottitis).

 

Anamnese

  • Viraler Infekt der oberen Luftwege, nachts trockener Husten, Heiserkeit und inspiratorischer Stridor
  • Keine Schluckbeschwerden, kein Speichelfluss

 

Körperliche Untersuchung

  • Inspektion des Thorax: juguläre und interkostale Einziehungen
  • Auskultation: inspiratorischer Stridor

 

Labor

  • Eventuell Pulsoxymetrie

 

Differenzialdiagnosen

  • Mögliche Differenzialdiagnosen sind in Tab. 73.4 aufgeführt.
  • Tab 73.5 zeigt eine Gegenüberstellung von Pseudokrupp, Epiglottitis, bakterieller Laryngotracheobronchitis und echtem Krupp.

 

Tab. 73.4 Differenzialdiagnosen des Pseudokrupps.

Differenzialdiagnose Bemerkungen
akute Epiglottitis akut eintretender Krankheitsverlauf
bakterielle Laryngotracheitis vorangegangener viraler Infekt der oberen Atemwege
Fremdkörper in den Atemwegen Anamnese
echter Krupp hochrote, glasig geschwollene Schleimhäute im Oropharynx, fehlender Impfstatus

Tab. 73.5 Gegenüberstellung von Pseudokrupp, Epiglottitis, bakterieller Laryngotracheobronchitis und echtem Krupp.

Pseudokrupp Epiglottitis bakterielle Laryngotracheobronchitis echter Krupp
Häufigkeit 10–15% aller Kinder nach erfolgter HiB-Impfung sehr selten selten: 0,1/100000 nach erfolgter DT-Impfung sehr selten
Alter 6 Monate bis 3 Jahre vor der Impfung überwiegend 2.–7. Lebensjahr 3–8 Jahre jedes Alter
Krankheitsbeginn milder Infekt der oberen Luftwege plötzliches Auftreten, fulminanter Verlauf innerhalb von 2–3 Tagen, selten fulminant progrediente Oropharyngitis mit reduziertem Allgemeinzustand
bevorzugte Jahreszeit Herbst und Winter ganzjährig Herbst und Winter ganzjährig
Stimme/ Sprache heiser kloßig heiser heiser
Husten bellend, trocken keiner (!) produktiv bellend
Stridor inspiratorisch inspiratorisch in- und exspiratorisch inspiratorisch
Schluckbeschwerden keine Odynophagie, Dysphagie bis Aphagie, Speichelfluss unauffällig Odynophagie, Dysphagie
Allgemeinzustand nicht bis geringfügig reduziert reduziert deutlich reduziert deutlich reduziert
Untersuchungsbefund Pharynx und supraglottischer Larynx sind unauffällig, subglottisch Rötung und Schwellung erkennbar hochrote Schwellung der supraglottischen Strukturen, verdickte Epiglottis Rötung und Schwellung, eitriges, teilweise verlegendes Sekret, häufig Pneumonie Oropharynx: im Frühstadium hochrotes glasiges Ödem; im Verlauf graue Beläge, die nach Abwischen bluten. Larynx: Pseudomembranen. Hals: massive Schwellung (Cäsarenhals)
Anamnese oft positive Familienanamnese, häufig vorangegangene Anfälle fehlende HiB-Impfung, Immunsuppression, ältere Menschen viraler Infekt vorangehend fehlende DT-Impfung
Erreger Viren: Parainfluenza, Influenza, RS-Virus: Respiratory-Syncytial-Virus, Masern, Adeno- und Rhinoviren überwiegend Haemophilus influenza Typ B oder auch betahämolysierende Streptokokken, Pneumokokken häufig Mischinfektionen, Staphylokokkus aureus, Streptococcus pneumoniae und pyogenes, Haemophilus influenza Typ B Corynebacterium diphtheriae
DT: Diphtherie, Tetanus, HiB: Haemophilus influenza Typ B

 

Therapie

  • Jedes Kind mit Pseudokrupp sollte ärztlich behandelt werden (siehe auch Tab. 73.3).

 

Therapeutisches Vorgehen

  • Inhalation mit L-Epinephrin (Razemat), eventuell wiederholte Gabe
  • Kortison oral (später Wirkeintritt) oder Prednison rektal (Rectodelt)
  • Im Notfall: intramuskulär, z.B. Dexamethason 0,6mg/kgKG
  • Eventuell Sauerstoffgabe
  • Intubation bei Ateminsuffizienz:
    • Intubation mit deutlich dünnerem, aber überlangen Spezialtubus („Krupp-Tubus“)
    • Extubationskriterium: hörbares Tubusleck als Hinweis für abgeschwollene Schleimhaut
  • Das Anfeuchten der Atemluft hat in kontrolliert, randomisierten Studien keinen Erfolg gezeigt.

 

Verlauf und Prognose

  • Nach Epinephrininhalation ist oft eine rasche Besserung zu beobachten.
  • Wiederauftreten der Symptome häufig nach einigen Stunden, daher zunächst stationäre Aufnahme und Überwachung.
  • Die Erkrankung heilt meist innerhalb von 2–5 Tagen folgenlos aus.

 

Synonyme

  • Akute subglottische Laryngitis
  • Akute Laryngotracheitis
  • Stenosierende Laryngotracheitis

 

Keywords

  • Krupphusten
  • Pseudokrupp
  • Inspiratorischer Stridor

 

Herausgeber*innen, Autor*innen

Herausgeber*innen: Orlando Guntinas-Lichius, Jens Peter Klußmann, Stephan H. Lang
Autor*innen: Ruth Lang-Roth, Jens Peter Klußmann

Letzte Änderung: 09.02.2024

eRef-Link: https://eref.thieme.de/referenz/referenz_0463