Covid-19: Auswirkungen auf Saisonalität und Epidemiologie des RS-Virus

Originalpublikation: Stein RT et al. RSV through the COVID-19 pandemic: Burden, shifting epidemiology, and implications for the future. Pediatr Pulmonol 2023. doi: 10.1002/ppul.26370

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) bildet die häufigste Ursache für Infektionen der unteren Atemwege bei Säuglingen und Kleinkindern im Alter von bis zu 5 Jahren und geht in diesem Zuge mit einer weltweiten Belastung der Gesundheitssysteme, negativen sozioökonomischen Folgen und hohen Gesundheitskosten einher. So vermuten Schätzungen einer Studie aus 2019 etwa 3,6 Millionen Krankenhausbehandlungen, sowie über 100000 RSV-bedingte kindliche Todesfälle weltweit mit besonders vielen Fällen unter Säuglingen und Kleinkindern bis zu einem Lebensalter von 6 Monaten.

Obgleich RSV-Infektionen bislang regelhaft in der Herbst-Winter-Saison wellenartig ihren Höhepunkt erreichten, führte die Covid-19-Pandemie zu starken Veränderungen von Saisonalität und Epidemiologie. Das Autorenteam Stein und Zar hat diese neuen Dynamiken daher einmal genauer betrachtet und diskutiert in seiner Übersichtsarbeit mögliche Implikationen für zukünftige Präventionsstrategien.

Erst Rückgang, dann Anstieg

Die Grundlage der Abhandlung umfasste dabei mehrere Studien um das Jahr 2020 über die Veränderungen der RSV-Epidemiologie durch die Covid-19-Pandemie in Verbindung mit der flächendeckenden Einführung von nichtpharmazeutischen Interventionen, wie beispielsweise dem Tragen von FFP2-Masken, dem Vermeiden von Menschenansammlungen, und einer Intensivierung der Händehygiene. Dabei zeigte sich länderübergreifend zunächst – je nach Land und Studie – ein deutlicher bis vollständiger Rückgang der RSV-Fälle von 32 bis 100% während der klassischen Saison zwischen Herbst 2020 und Frühjahr 2021.

Weitere Ergebnisse der analysierten Studien beinhalteten u.a. einen Rückgang positiver RSV-Tests in Kanada zwischen August 2020 und März 2021 um 98% im Vergleich zum Zeitraum zwischen August 2014 und März 2020, sowie einen ebenfalls deutlichen Rückgang RSV-bedingter Hospitalisationen in Südkorea mit einer Reduktion zwischen Februar 2020 und Januar 2021 von über 90% im Vergleich zu den Vorjahren zwischen Januar 2016 und Januar 2020. Obgleich diese Zahlen zweifelsfrei eine positive Entwicklung durch präventive Maßnahmen implizieren, mussten Epidemiologen bereits in der Folgesaison während des langsamen Abklingens der Covid-19-Pandemie wieder einen starken Anstieg von RSV-Infektionen beobachten.

Hygienemaßnahmen als Schlüssel?

Stein und Zar betrachten daher die neuen Daten in Zusammenhang mit der veränderten Dynamik der RSV-Epidemiologie durch Covid-19 als einzigartige Chance zur Untersuchung und Optimierung effektiver Präventionsmöglichkeiten, um die Häufigkeit schwerer Verläufe nachhaltig reduzieren zu können. So betrachten sie die teilweise sehr scharfen Hygienemaßnahmen inkl. „Lockdowns“ als wichtiges Präventionselement, und diskutieren ferner eine maternale Immunisierung durch Impfstoffe, sowie einen möglichen Schutz durch die Verabreichung monoklonaler Antikörper.

In ihrem Fazit beschreiben sie die beobachteten Veränderungen der RSV-Epidemiologie durch die Coronamaßnahmen abschließend als wertvolle Lernerfahrung zur Entwicklung künftiger Strategien gegen das RS-Virus, betonen aber dennoch die Notwendigkeit neuer Studien, um den genauen Einfluss verschiedener Maßnahmen auf die Ausprägung von RSV-Wellen zukünftig besser greifen und nutzen zu können.

Fazit:

Die COVID-19-Pandemie in Kombination mit der Einführung nichtpharmazeutischer Interventionen hatte weltweit erhebliche Veränderungen der RSV-Saisonalität und Epidemiologie zur Folge. So kam es in vielen Ländern während einer typischen Saison erst zu einem Rückgang bzw. Ausbleiben von Infektionen und dann im Folgejahr zu einem starken Anstieg. Trotz negativer Auswirkungen dieser Dynamik könnten aber neue Daten – nach Ansicht der AutorInnen – Entscheidungen zur Prävention positiv beeinflussen.

 

Quelle:

Stein RT et al. RSV through the COVID-19 pandemic: Burden, shifting epidemiology, and implications for the future. Pediatr Pulmonol 2023. doi: 10.1002/ppul.26370

Publikationsdatum: 20. November 2023 (online)

Autor: Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig